Sonntag, 18. Oktober 2009

Al-Qaidas Freigänger - Teil 2

London galt in islamistischen Kreisen immer als eine besondere Stadt. Denn in ihr ließ es sich frei vor Strafverfolgung gut leben. Das machte London zu einem sicherer Hafen des internationalen islamistischen Terrors und brachte Großbritanniens Hauptstadt auch einen neuen Spitznamen ein: Londonistan.

Ein prominenter Einwohner Londonistans war der jordanische Staatsbürger Abu Qatada, der 1993 von Großbritannien als politischer Flüchtling aufgenommen wurde. In London betätigte er sich dann als sogenannter "Hassprediger" und wichtiger Akteur im Al-Qaida-Netzwerk.
Trotz seiner Verwicklung in terroristische Aktivitäten, für die er in Jordanien in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, und obwohl US-Geheimdienste davon ausgingen, dass Qatada Al-Qaidas religiösem Komitee angehört, lebte er weiter auf freiem Fuß in Großbritannien und predigte seinen Hass. Er genoss die Protektion durch die britischen Behörden. Wie auch die beiden "Hassprediger" Omar Bakri Mohmmed, der davon sprach, mit den britischen Behörden ein "Sicherheitsabkommen" getroffen zu haben, und Abu Hamza al-Masri. Über Hamza, Qatada und Bakri schreiben Sean O'Neill und Daniel McGrory in ihrem Buch "The Suicide Factory" auf Seite 108:
"Sie behaupteten alle, dass radikale Islamisten sich in London sicher fühlten, da sie geschützt wurden durch ein "Sicherheitsabkommen", wie sie es nannten. Dabei, so sagten sie, handelt es sich um einen Deal, bei dem die extremistischen Gruppen versicherten, keine Attacken in Großbritannien durchzuführen, dafür ließen Polizei und Geheimdienste sie in Ruhe. Britische Minister zeigten sich schockiert über Andeutungen, dass sie einem solchen Pakt beigetreten seien. Aber andere Länder äußerten ihre Verwunderung, warum die britische Regierung weiterhin Warnungen ignorierten, dass radikale Organisationen London als einen sicheren Hafen benutzen und es den Extremisten erlaubte, als wären sie immun gegenüber jeder Strafverfolgung. Für europäische Augen sah es so aus, als könnten diese Männer tun, wie ihnen beliebte."


Radikaler Prediger und MI5-Schützling Abu Qatada

Abu Qatada traf sich erstmals 1996 mit einem Agenten des britischen Inlandsgeheimdienst MI5. Qatada versicherte, über jeden zu berichten, der den Interessen Großbritanniens schaden könnte. Die Leute, auf die er Einfluss habe, würden keine Gefahr für die britische Sicherheit darstellen, außerdem würde er nicht die Hand beißen, die ihn füttert.

An Qatadas Verbindungen  zu Al-Qaida ist man auch in Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland, Jordanien und den USA interessiert. Alle Anträge aus diesen Staaten, Qatada dahingehend zu befragen, werden von den britischen Behörden verweigert. (Quelle)

Zwar heißt es, dass nach dem Frühjahr 2007 keine weiteren Treffen des MI5 mit Qatada stattgefunden haben, aber dieser Version wird von mehreren Seiten widersprochen. So vermuten französische Beamte, dass Qatada weiterhin für den MI5 arbeitete und daher auch nicht im Anschluss an die Anschläge des 11.September 2001 festgenommen wurde. Auch Bisher al-Rawi, langjähriger Freund Qatadas, glaubt, dass Qatada bis zu seiner Festnahme 2002 nie aufgehört hat, für den MI5 zu arbeiten. Al-Rawi arbeitete selbst als Informant für den Dienst und diente als Mittelsmann und Dolmetscher zwischen Qatada und dem MI5. Qatada selbst war übrigens über Al-Rawis Tätigkeit für den MI5 unterrichtet.

Auch andere Agenten tummelten sich in Qatadas Umgebung. Der Agent der britischen Dienste MI5 und MI6, sowie des französischen Geheimdienst Générale de la Sécurité Extérieure (DGSE), Omar Nasiri, unterwanderte 1996 die Moscheen der islamistischen Prediger.  In seinem Buch "Inside the global Jihad" schrieb Nasiri, dass es in der Moschee Abu Hamzas und in Abu Qatadas 'Four Feather Center' vor Spionen nur so wimmelte.

Nach 9/11 geht man in der Presse davon aus, dass Qatada bald wegen seiner Rolle in den Al-Qaida-Anschlägen festgenommen wird. Der lebt aber weiter auf freien Fuß. 'The Observer' berichtete, dass der MI5 Qatada einen  Reisepass anbot, ein iranisches Visum und die Gelegenheit, nach Afghanistan zu fliehen. Qatada habe abgelehnt, weil er dem Deal nicht traute. "Wenn ich ins Flugzeug steige, fürchte ich erschossen oder an die Jordanier, Ägypter oder Saudis ausgeliefert  zu werden."

Als im Dezember 2001 eine neues Gesetz es ermöglichte, Terror-Verdächtige unbefristete Zeit gefangen zu nehmen, tauchte Qatada mitsamt Frau und Kindern unter. Das 'TIME' Magazin behauptet allerdings, dass kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes Qatada und Familie von der Regierung in ein geheimes Versteck gebracht wurden, wo man sie mit Lebensmitteln und Kleidung versorgte. 'TIME' schrieb:
Der Deal war, dass Abu Qatada keine Kontakte zu Extremisten in London und Europa unterhält, aber nicht inhaftiert oder ausgeliefert wird, da niemand offiziell wusste, wo er ist", sagte eine Quelle, deren Behauptungen von französischen Behörden bestätigt wurden. Die Briten wollten Berichten zufolge damit ein Gerichtsverfahrn mit der "heißen Kartoffel" Qatada vermeiden.
Erst als Qatada die Anschläge von 9/11 öffentlich preisen wollte, nahm man ihn im Oktober 2002 fest und steckte ihn ins Gefägnis. Am 3. April 2004 geschieht etwas selbst für 'londonistan-ische' Verhältnisse merkwürdiges. In Madrid kommt es zu einer Schießerei zwischen der Polizei und 7 Verdächtigen im Zusammenhang mit den Anschlägen auf U-Bahnen in Madrid. In einer Wohnung von der Polizei umzingelt, nehmen sie Kontakt zu verschiedenen Terror-Verdächtigen im Ausland auf. Darunter Qatada. Von ihm Verlangen sie die Absolution, sich bei der Erstürmung der Wohnung durch die Polizei in die Luft sprengen zu dürfen. Qatada erteilt ihnen diese. Laut spanischer Polizei haben die Männer drei mal mit Qatada gesprochen. Wie sie überhaupt mit jemanden sprechen konnten, der in einem britischen Hochsicherheits-Gefängnis einsitzt, konnte sich die Polizei aber auch nicht erklären, berichtete 'United Press' am 14.Mai 2004.

Zum Entsetzen der Öffentlichkeit entschied im Mai 2008 ein Gericht, Qatada auf Kaution zu entlassen. Ihn, den Justizbeamte als "Al-Qaidas spirituellen Führer und wahrscheinlichen Drahtzieher des europäischen Al-Qaida-Netzwerkes" bezeichneten. Ihn, den der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón "als das geistige Oberhaupt der Mudschaheddin und bin Ladens Botschafter in Europa" bezeichnete.
Doch die Entscheidung des Gerichts ist gar nicht zu kritisieren. Denn das Gericht entschied im Sinne der Menschenrechte, die es verbieten, jemanden drei Jahre lang ohne jede Anklage festzusetzen. Da man über Qatadas Taten und Verbindungen seit Jahren bestens informiert war, kann man die nicht erfolgte Anklage nur dahingehend erklären, dass man Angst davor hatte, was in einem solchen Prozess für die geheimen Dienste alles an Unvorteilhaftem an die Öffentlichkeit gelangen könnte. Und diese Angst war offenbar größer, als die Angst vor dem Unwesen, dass er in Freiheit treiben könnte.

Man will Qatada nicht den Prozess machen, sondern einfach los werden. Daher entschied ein Gericht im August 2005, kurz nach den Anschlägen von London am 7.7.2005, ihn nach Jordanien auszuweisen. Aufgrund der Menschenrechtslage in Jordanien konnte er aber erfolgreich gegen dieses Vorhaben klagen und blieb weiter hinter britischen Gittern. Wegen Verstoßes gegen Kautions-Auflagen wurde er im August 2008 wieder inhaftiert, kurz nachdem man ein Auslieferungs-Abkommen mit Jordanien geschlossen hatte. Im Februar 2009 entschied das oberste Gericht schließlich, ihn nach Jordanien auszuweisen.

Dort war er im April 1999 wegen Beteiligung an mehreren Bomben-Attentaten zu lebenslanger Haft in Abwesenheit verurteilt wurden. Jordaniens Anträge, ihn auszuliefern, wurden seinerzeit von den britischen Behörden immer abgelehnt.
Großbritannien gab einem der heftigsten Befürworter des globalen Dschihad Unterschlupf. Abu Qatada lebte und atmete die Al-Qaida Ideologie, verfasste religiöse Dekrete...erlaubte es Algeriern, Massenmord im Name Gottes zu begehen und trieb hundert-tausende von britischen Pfund auf, um den Krieg der Islamisten gegen die Russen in Tschetschenien fortzuführen. (Quelle: O'Neill und McGrory, "The suicide Factory", Seite 29)
Solange Islamisten in Algerien und Russland bomben, hat man damit offenbar weniger ein Probleme in Großbritanniens höchsten Stellen.

Nun zu einem weiteren Einwohner Londonistans.
Haroon Rashid Aswat verließ als 21-Jähriger Großbritannien Richtung Afghanistan und Pakistan, und besuchte dort Terror-Ausbildungs-Camps. Laut Ermittlern diente er eine Zeit lang Osama Bin Laden als Bodyguard. Wieder in Großbritannien, war er der Gehilfe des radikalen Predigers (und MI5-Zuträgers) Abu Hamza al-Masri. Laut Reda Hassaine, der für den britischen und französischen Geheimdienst die Szene ausspionierte, rekrutierte Aswat in Hamzas Stamm-Moschee 'Finsbury Park' für Al-Qaida neue Mitglieder.

Rechts Aswat, links der radikale Prediger Hamza al-Masri
Nach den Anschlägen in London am 7.7.2005 galt Aswat als der Drahtzieher, der das Bindeglied zwischen den mutmaßlichen Selbstmordattentätern und Al-Qaida darstellte. Laut Aussagen der britischen Polizei hat Aswat in den Stunden vor den tödlichen Explosionen 20 mal mit den beiden Attentätern Mohammed Sidique Khan und Shehzad Tanweer telefoniert.

Doch dann ließ der Terrorexperte und ehemalige Militär-Geheimdienst Offizier John Loftus am 29.Juli auf 'FOX News' eine nicht-tödliche Bombe platzen: Der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge von 7/7, Harron Rashid Aswat, arbeitet für den britischen Geheimdienst.

Zwei Tage später nahm die Polizei Aswat aus dem Fadenkreuz des Verdachts, die 7/7-Anschläge in London organisiert zu haben. Die 20 Gespräche mit den mutmaßlichen Attentätern seien zwar mit einen Telefon geführt worden, dass ihm zugeschrieben wird, aber nicht zwangsläufig mit ihm selbst.

Aswat wurde vor 7/7 von US-Diensten überwacht. Als diese ihn in Südafrika zum Verhör festnehmen wollten, gab die südafrikanische Regierung das Anliegen der USA an die Briten weiter. Diese verweigerten aber unter dem Verweis auf die Befürchtung, der britische Bürger Aswat könnte von den USA nach Guantanamo gebracht werden.
Wie auch immer, Fragen kamen auf, ob die Briten nicht wollen, dass Aswat festgenommen wird, weil sie ihn als eine nützliche Informationsquelle betrachten. Für manche ist der britische Geheimdienst zu bereitwillig, Terror-Verdächtige in der Hoffnung laufen zu lassen, nützliche Anhaltspunkt und Informationen zu sammeln. (Quelle)
Ich kann mir nicht helfen, aber diese Einschätzung klingt doch reichlich naiv. Insbesondere in der Welt der Geheimdienste, des britischen mit seinen historischen Erfahrungswerten allemal, dürfte eine solche Naivität tatsächlich nicht vorherrschen. Die Schlussfolgerung daraus, möge jeder für sich selbst ziehen.

(Al-Qaidas Freigänger Teil 1, Teil 3)

1 Kommentar:

  1. Hinter 7/7 stehen eben die gleichen Kräfte wie hinter 9/11.
    Wer die Frage nach dem Nutzen stellt findet die Verantwortlichen.
    So einfach ist das.

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