"Was nicht passt, wird passend gemacht". Das hätte das Arbeits-Motto von Winston Smith sein können, der im "Ministerium für Wahrheit" die Aufgabe hatte, vergangene Nachrichten und Berichte mit der Gegenwart in Einklang zu bringen. Wurde etwa zu Jahresbeginn eine Erhöhung der Löhne um zehn Prozent als Ziel ausgegeben, aber waren am Jahresende tatsächlich nur fünf Prozent mehr in der Lohntüte, so war es Winstons Aufgabe, die Vergangenheit zu korrigieren. Dann wurden aus den zu Jahresbeginn versprochenen zehn Prozent fünf Prozent gemacht. Somit wurde das Ziel voll erreicht und alle konnten sich zufrieden und glücklich schätzen. George Orwells Vorstellung einer Diktatur in seinem Werk "1984", in dem Winston den Hauptcharakter darstelt, hat sich glücklicherweise nicht durchgesetzt.
Wir leben nicht in einem Land, in dem es ein Wahrheitsministerium gibt. Vielleicht liegt das daran, dass die Demokratie so gefestigt ist. Vielleicht aber auch daran, dass die Arbeit eines Wahrheitsministeriums ein übertriebener Aufwand wäre. Frei nach Konrad Adenauers "was-interessiert-mich-mein-Geschwätz-von-gestern", bedarf es hierzulande nicht der permanenten Angleichung der Gegenwart mit einer Vergangenheit, für die sich in unserem schnelllebigen Medienzeitalter kaum noch jemand interessiert.
Besonders Terrorexperten scheinen regelmäßig unter akutem Gedächtnisverlust zu leiden. Den einen Tag sagen sie "hüh", den anderen "hott". An einem Tag stehe Al-Qaida kurz davor, die Weltherrschaft zu übernehmen, am anderen Tag sei sie schon fast zerschlagen. Mal befindet sich Al-Qaida im Krieg mit Eurasien, mal mit Ostasien.
Vor Kurzem konnte der aufmerksame Beobachter mal wieder Zeuge für das Zwiedenken von Terrorexperten werden, also dem Denken in einander widersprechender und ausschließender Behauptungen.
Gemeint ist die Finanzkrise, die Al-Qaida nun erreicht haben soll. Die 'Welt' titelte vor einer Woche "Al-Qaida bittet um Spenden für den Terror". Dann heißt es:
Das Terrornetzwerk al-Qaida leidet unter akutem Geldmangel. Übers Internet rufen die Islamisten zu Spenden auf. Unter anderen wird ein Konto bei einer deutschen Sparkasse angegeben. [...)
[David] Cohen [Abteilungsleiter der US-Behörde für die Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung] geht davon aus, dass al-Qaida sich in der schlechtesten finanziellen Verfassung seit Jahren befindet. Ganz offensichtlich sind frühere Geldgeber weggefallen. Der dadurch Geldmangel erschwere die Anwerbung von Rekruten mindere den Einfluss der Terror-Organisation.
Die Not ist so groß, dass die Organisatoren des Terrors inzwischen „betteln“ gehen und übers Internet Spendenaufrufe starten. Kleinere Organisationen versuchen zudem, sich durch Kriminalität zu finanzieren.
Sehen wir einfach über die Tatsache hinweg, dass Al-Qaida zum
Spendensammeln ein Konto bei einer deutschen Sparkasse angegeben hat und vergleichen wir diese Meldung nun mit Berichten aus der Vergangenheit. Und da können wir froh sein, nicht an Winstons Stelle zu sitzen, es sei denn man freut sich über die vielen Überstunden, die dabei anfallen würden.
Noch vor einem Jahr war das Wort "Pleite" im Zusammenhang mit Al-Qaida völlig unbekannt: "Al Qaida schwimmt offenbar im Geld", so lautete eine Schlagzeile im Oktober 2008. Al-Qaida beziehe jährlich alleine 30 Millionen Euro aus Spenden.
Hinzu kommen die wachsenden Einkünfte aus dem boomenden Opiumanbau in Afghanistan und damit einem Geschäftszweig, der vom Wirtschaftsabschwung wahrscheinlich weniger betroffen sein dürfte. Seit der von den USA geführten Invasion am Hindukusch im Jahr 2001 hat sich der Opiumanbau nach Angaben des UN-Büros zur Bekämpfung von Drogenhandel und Kriminalität verzwanzigfacht. Laut einem im Juli veröffentlichten Bericht des früheren US-Drogenbeauftragten Barry McCaffrey finanzieren sich Al Qaida und Taliban "hauptsächlich von den geschätzten 800 Millionen US-Dollar Erlös, die sie aus Produktion und Export von Opium beziehungsweise Heroin und Cannabis im Schwarzmarktwert von vier Milliarden US-Dollar erzielen".
Neben Spenden und Drogen hat sich Al-Qaida in der Vergangenheit auch in anderen lukrativen Geschäftszweigen betätigt:
Gruppen wie Al-Qaida und Hisbollah haben sich dem illegalen Handel mit gefälschten Konsumgütern zugewendet, wie gefälschte 'Nike'-Schuhe, 'Sony'-Stereo-Anlagen und 'Calvin Klein'-Jeans, sagte der Spitzenbeamte Interpols, der diesen Mittwoch in dieser Angelegenheit bei einer Anhörung im Kongress aussagen soll. (Quelle)
Gefälschte Schuhe - Al-Qaidas Verdienst?
Spenden, Drogen und gefälschte Markenartikel. Aber das reicht Al-Qaida nicht und so hat man in der Türkei einen neuen Weg der Geldvermehrung gefunden, der allerdings nicht besonders originell ist:
Al-Qaida hat kürzlich damit begonnen, zu Rauben und Gold, Geld und Autos zu stehlen. Jüngst hat eine Polizei-Aktion ergeben, dass Al-Qaida Mitglieder drei Autos stahlen und einen Juwelier ausraubten sowie zwei Laster, beladen mit Kabeln. (Quelle)
Spenden, Drogen, gefälschte Markenklamotten und Juwelenraub. Nicht genug für Al-Qaida. Und so stieg man vor einem Jahr ins maritime Geschäft ein:
Die Hinweise, dass die islamistische Terrororganisation der Al-Qaida hinter den Piraten steht, haben sich nach Darstellung der westlichen Geheimdienste «verdichtet». Al-Qaida habe bisher vor allem den Piraten modernste Waffen, Schiffsausrüstungen und Geräte für die Satellitennavigation oder Laptops geliefert. Al-Qaida-Spezialisten ist es laut der westlichen Geheimdienste gelungen, sich auf Websites der Europäischen Union einzulocken und mit Spams und Trojanern die Kommunikationen zu stören. So würden die Kriegsschiffe im Einsatzgebiet fehlgeleitet und beispielsweise mit falschen Anweisungen in «unbedeutende Seegebiete» gelotst.(Quelle)
Sie sehen, wir haben es hier mit Terror-Profis zu tun, die sich in die EU einhacken und Schiffe fernlenken können. Und falls das mal nicht reicht, gibt es ja noch immer das Spenden-Konto bei der Sparkasse.
Spenden, Drogen, gefälschte Markenartikel, Juwelenraub und Piraterie. Genug für Al-Qaida? Wohl kaum. Selbst vom US-Pentagon läßt man sich finanzieren. Einem geschenkten Gaul schaut man nun mal nicht ins Maul. Und selbstverständlich nicht Osama Bin Ladens geerbtes Vermögen von geschätzten 300 Millionen US-Dollar zu vergessen.
Hat Al-Qaida in einem Jahr Millionen um Millionen verprasst? Bevor jetzt das Spekulieren beginnt, wo denn der schöne Mammon hin ist, bleibt eine Tatsache festzuhalten: Jede frische Vollmilch hat ein längeres Mindesthaltbarkeitsdatum als die Aussagen der in den Medien gerne durchgereichten Terrorexperten. Leider interessieren sich nur die wenigsten Medien-Konsumenten für deren Geschwätz von gestern, sonst wären schon so manche von ihnen als Scharlatane entlarvt worden.
Ob Al-Qaida Pleite ist oder nicht, spielt für Terrorexperten eigentlich auch keine Rolle. Denn so oder so, ihr Arbeitsplatz scheint gesichert. Denn laut der Studie 'Risk Map 2007' sinken die Kosten für Anschläge, ein Selbstmordattentat sei bereits für 150 US-Dollar zu haben. Terrorexperte Rolf
Tophoven vom Essener Institut für Terrorismusforschung und
Sicherheitspolitik dazu:
"Die Finanzströme zu kappen wird als entscheidende Impuls, den Terrorismus zu besiegen, nicht funktionieren." (Quelle)
Hauptsache das Angst-Geschäft mit dem Terrorismus funktioniert weiter unbeschadet!
Dem Terror muss es aber schon ganz schön schlecht gehen, wenn man es nicht schafft die 150 US-Dollar aufzutreiben. Ständig die Warnungen vor Anschlägen (Speziell nach der Bundestagswahl) und was ist bis jetzt passiert? Nur heiße Luft wieder...
AntwortenLöschenImmer wieder fällt mir 1984 ein (ich komm nicht an meine Bücher-hieß der Osama bin Laden dort Goldstein, Goldberg?).
AntwortenLöschenBin hier (zum ersten Mal), weil ich Deinem Kommentar auf ASuR zusprechen will: Ich denke auch, seit ich Ms. Clinton letztens über Pakistan sinnieren hörte: Ein kleines Land für den Blick auf ein größeres in der Nachbarschaft...