Mittwoch, 11. November 2009

Dschihad Union distanziert sich angeblich von Al-Qaida!

Auf seinem Blog berichtet der ARD-Terrorexperte Holger Schmidt regelmäßig über das Gerichtsverfahren gegen die sogenannte Sauerland-Gruppe, die zu der IJU, der Islamic Jihad Union, gehören soll. Gestern berichtete Schmidt nicht über den Gerichtsprozess, der zuweilen in eine "Polizeikomödie" ausartet, sondern über eine BKA-Information, wonach sich die Islamische Dschihad Union von Al-Qaida distanziert.
Anfang Oktober berichtete die türkische Polizei von einer Groß-Razzia gegen Islamisten. Zahlreiche Personen seien festgenommen worden. Einige von ihnen gehörten zu Al Qaida, die restlichen zur IJU. Die Gruppe habe Anschläge in der Türkei geplant und hätte auch deutsche Ziele angreifen wollen.In Deutschland war die Razzia kaum eine Meldung wert. Der IJU aber schon. Sie verbreitete auf der einschlägigen Webseite, auf der auch schon das Bekennerschreiben der Sauerlandgruppe und das ein oder andere Breininger-Video auftauchte, eine Art Gegendarstellung, die das BKA gefunden hat:
Man habe nichts mit Al Qaida zu schaffen, habe niemals eine Aktion in der Türkei geplant und sei auch aktuell nicht in der Türkei aktiv. Im übrigen sei das Ziel der Gruppe ein Kalifat (ein diktatorischen Gottesstaat) - wenn möglich weltweit. Mit Al Qaida habe man nichts zu tun. (Quelle)
Die Webseite von der Schmidt spricht und auf der das BKA die Distanzierung von Al-Qaida gefunden hat,  nennt sich "sehadetzamani.com". Dort distanzierte sich die Islami Cihad Ittehad (türkischer Name der IJU) bereits am 20.Oktober 2009 von Al-Qaida. Hintergründe über diese Webseite und der Frage nach der Authentizität solcher Meldungen finden Sie hier. Was ist von der Distanzierungs-Meldung zu halten? Terrorexperte Schmidt hält sie für einen klugen Schachzug:

Anschläge in der Türkei wären für die IJU kontraproduktiv. Unter Türken will man rekrutieren und Unterstützung erhalten, es soll viele Bezüge in die Türkei geben. Also liegt es nahe, dass die IJU nicht an dem Ast sägen will, auf dem sie sitzt.
Im Widerspruch zu dieser Begründung steht die Tatsache, dass im Namen der IJU ja auch in Deutschland rekrutiert wird.  Sicherheitsbehörden beschäftigt die Frage schon lange, warum "ausgerechnet so viele Deutsche und in Deutschland aufgewachsene Türken in die Terrorlager der IJU ziehen". Wenn man nicht an dem Ast sägen will, auf dem man sitzt, warum sollte die Sauerland-Gruppe dann Anschläge in Deutschland durchführen? Auf diesen Gedanken kamen Fritz Gelowicz und seine drei Mitangeklagten übrigens nicht von selbst. Ursprünglich wollten sie in Irak, Afghanistan oder Tschetschenien gegen die Besatzer kämpfen. Es waren die IJU-Chefs Nashmiddin Schalolow und Süleyman Özbeki, die sie erst dazu gedrängt haben, in Deutschland Anschläge zu begehen und von denen sie die Befehle bekamen. Schalolow wurde am 14.September dieses Jahres von der CIA mittels einer unbemannten Drohne getötet. Bezüglich Süleyman berichtet Schmidt in seinem Blog-Eintrag, dass der "IJU-Mediendirektor" laut Informationen des Verfassungsschutzes kürzlich durch eine Bombe getötet wurde.

Somit sind die beiden Männer, die die Sauerland-Gruppe "gecoacht" haben und die das Bindeglied zwischen der Sauerland-Gruppe und der Dschihad Union darstellten, nicht mehr am Leben. Also können sie auch nicht mehr zur Aufklärung der Frage beitragen, inwieweit sie auf Geheiß von Geheimdiensten gearbeitet haben. Merkwürdig bleibt, dass die Sauerland-Gruppe erst aus den Medien erfahren haben will, dass sie Teil der IJU sind. Von der Tatsache ganz zu schweigen, dass die IJU vom usbekischen Geheimdienst gegründet wurde und geführt wird. Unter Mithilfe westlicher Geheimdienste selbstverständlich. Doch für Terrorexperten muss das kein Grund sein, hier kritisch nachzuhaken. Der in argumentativen Vorwärtssaltos geübte 'Spiegel'-Terrorexperte Yassin Musharbash begegnet diesen Tasachen mit einer ganz eigenen Logik:
Andererseits helfen die Aussagen [der Angeklagten Mitglieder der Sauerland-Gruppe] nur bedingt dabei, den Ursprung der IJU einzuschätzen. Verschwörungstheoretiker und andere Skeptiker haben von Beginn an gemutmaßt, die IJU sei eine Erfindung der usbekischen Behörden. Die Sauerländer können das kaum einschätzen, auszuschließen ist es nicht. Aber selbst wenn es so wäre: Für die Gegenwart hat es keine Bedeutung, die IJU hat sich längst verselbständigt. (Quelle)
Was sich da "längst" verselbstständigt hat, ist Musharbashs merkwürdige Interpretation der Realität. Wenn nicht einmal die Sauerland-Terroristen ausschließen können, von Geheimdiensten geführt worden zu sein, dann hat das sehr wohl eine Bedeutung für die Gegenwart. Es lässt auf den Erfolg der Geheimdienst-Operation "IJU" schließen: Williges Fußvolk kann geködert und zu Anschlägen motiviert werden in dem Glauben, Teil einer "echten" islamistischen Gruppe zu sein. Der ehemalige usbekische Geheimdienstmitarbeiter Ikrom Yakubov wies in einer 'Monitor'-Sendung darauf hin, dass die einfachen, "authentischen" Mitglieder der IJU nichts darüber wissen, dass die Gruppe vom usbekischen Geheimdienst geführt wird:



Wenn unter IJU-Mitgliedern wie der Sauerland-Gruppe Ahnungslosigkeit darüber vorherrscht, wem sie eigentlich dienen, dann bedeutet das eben nicht, dass sie sich gegenüber Geheimdiensten verselbstständigt haben. Das genaue Gegenteil ist der Fall.

Terrorexperte Schmidt schließt seinen Beitrag mit den Worten:
Spannend wird auch, was die Angeklagten in Düsseldorf sagen werden, wenn sie vom Tod “ihres” Süleymans erfahren.
Spannend wird auch sein, wie Terrorexperten auf die Behauptung der IJU, nichts mit Al-Qaida zu tun zu haben, reagieren werden. Vor zwei Monaten schreib Musharbash, dass die IJU "nachweislich Beziehungen zu Al-Qaida" pflegt. Ob er diesen Nachweis führen wird - und somit die IJU der Lüge überführt? Oder war dies nur eine bloße Behauptung seinerseits? Wir dürfen gespannt sein.

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für diesen erfrischenden Blog!
    Es ist wirklich toll wenn Steuergelder mißbraucht werden um eine Bedrohung zu erzeugen bzw. zu fördern anstatt sie zu bekämpfen. Danke an die Geheimdienste!Das ist als wie, als wenn die Feuerwehr Häuser anzündet und dann schreit sie brauche neue Löschfahrzeuge, weil es so viele Brandherde gibt. Zum Glück gibt es Experten, die den "Terrorexperten" mal auf die Finger schauen! Danke für einen richtigen Blick auf die Realität!

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