Die Situation in Irak lag in den vergangenen Tagen wieder im Blickpunkt der Medien. Leider geschieht das meist nur, wenn es zu solchen Anschlägen kommt, wie am vergangenen Sonntag, bei dem über 130 Menschen getötet und über 500 verletzt wurden. Zwei Bomben wurden in Bagdad außerhalb der
Grünen Zone vor dem Justizministerium und einem weiteren Verwaltungsgebäude gezündet. In einem
'MSNBC'-Bericht wird vermutet, dass die Täter Hilfe aus den Reihen der Sicherheitskräfte bekamen, um die vielen Sicherheitskontrollen erfolgreich passieren zu können. Mittlerweile habe sich
Al-Qaida per Internet zu dem Anschlag bekannt. Wenn man nach dem "cui bono" fragt, also danach, wem es nutzt, dann erscheint Al-Qaidas Vorgehen in Irak durchaus kompatibel mit den Interessen der ausländischen Besatzer zu sein. Allerdings wird diese Tatsache oft auf den Kopf gestellt, so z.B. in einem Artikel von Lutz Herden im 'Freitag' am 26.Oktober:
Es wäre politische Selbstentleibung, sollte der irakische Premier al-Maliki gezwungen sein, US-Truppen nach Bagdad zu rufen, weil er deren Beistand braucht wie die Luft zum Atmen. Drei Monate bleiben bis zu den Parlamentswahlen Mitte Januar. Da muss ein Regierungschef, der wiedergewählt werden will, Macht statt Ohnmacht zeigen – und auf die Amerikaner verzichten können. Die hatten sich am 30. Juni aus den großen Städten des Landes in ihre Basen zurückgezogen. Al-Maliki – sichtlich bemüht das Stigma einer Marionette loszuwerden – feierte diesen Tag wie ein nationales Fest. Das Stationierungsabkommen funktionierte. Seit es zwischen Bagdad und Washington vom Herbst 2008 geschlossen war, schien die Rückkehr zu voller Souveränität unaufhaltsam und unwiderruflich. Der Irak konnte wieder er selbst sein. Schließlich wollte Präsident Obama spätestens zum 31. Januar 2011 den letzten US-Soldaten auf Heimatkurs wissen.
Nun aber häufen sich seit Monaten die Anschläge in Bagdad, Basra und Kirkuk, werden immer brutaler, immer verheerender, immer opferreicher. 275 Tote im Juli, 456 im August, 210 im September – am 25. Oktober lassen die Attentate auf das Justizministerium und andere öffentliche Gebäude in Bagdad die höchste monatliche Opferzahl seit 2006 befürchten. Offenbar sind die sunnitischen Milizen eben nicht so domestiziert, wie es Nuri al-Maliki gern hätte, sondern das Rückgrat des nationalen Aufstandes, wie sie einst das Rückgrat der Nationalarmee Saddam Husseins waren.(...)
Die USA haben den Irak in einen Zustand versetzt, der sie zwingt, Besatzungsmacht zu bleiben, solange die Besatzung andauert. Bis zum bitteren Ende, worin das immer bestehen mag: Im fristgerechten Abzug oder dem Versuch erneuter Befriedung. Autorität, die angetreten ist, den irakischen Staate zu unterwerfen, kann sich nicht zurückziehen, wenn diesem Staat nun die Autorität fehlt, seine Bürger zu schützen. Wer andere beherrschen will, muss sie auch regieren können. (
Quelle)
Herr Herden liegt mit seiner Einschätzung ziemlich daneben. Das Groteske seiner Ausführungen wird daran deutlich, dass er auf der einen Seite diesen Anschlag dem "Rückgrat des nationalen Aufstands" zurechnet und auf der anderen Seite richtig bemerkt, dass dieser Anschlag nur die weitere Anwesenheit der US-Besatzer "erfordert". Statt "erfordert" müsste es richtiger weise "legitimiert" heißen. Doch Herden will seinen Lesern einbläuen, dass die US-Besatzer durch solche Anschläge gegen ihr eigenes Interesse gezwungen seien, weiterhin im Land zu bleiben. Doch die USA haben ein Interesse im Land zu bleiben, sonst hätten sie es gar nicht erst besetzt. Oder will tatsächlich noch jemand behaupten, die Besatzung Iraks sei aus Nächstenliebe zu den von Saddam unterdrückten Irakern geschehen und werde jetzt aus Nächstenliebe zu den vom Terror gebeutelten Irakern aufrecht erhalten? Die Besatzung des Irak liegt im Interesse der Pentagon-Strategen, niemand hat diese gezwungen, in den Irak einzumarschieren. Und niemand zwingt sie, weiter im Land zu bleiben - auch nicht Al-Qaida.